Einsichtnahme in Bruttogehaltslisten durch den Betriebsrat

DatenschutzrechtEinsichtnahme in Bruttogehaltslisten durch den Betriebsrat

Einsichtnahme in Bruttogehaltslisten durch den Betriebsrat, Entscheidung des LAG Niedersachsen 12 TaBV 23/18

eine sich immer wieder zwischen Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeber entzündende Frage ist die der Einsichtnahme in Bruttogehaltslisten der Belegschaft. Während der Betriebsrat die uneingeschränkte Einsicht in die personalisierte Liste fordert, berufen sich die Arbeitgeber häufig darauf, dass aus Gründen des Datenschutzes die Listen nur unpersonalisiert übergeben werden können. Da eine klare gesetzliche Regelung fehlt, kommt es immer wieder zum Streit über dieses Thema.

Hintergrund:

Der Betriebsrat hat gemäß § 80 Abs.1 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eingehalten werden.

Hierzu gehört auch der „arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz„.

Dabei verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar keine individuellen Lohnunterschiede, doch dürfen einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen nicht „willkürlich“ bzw. ohne sachliche Be-gründung von allgemeinen Vergünstigungen ausgenommen werden, wie z.B. von Prämien oder allgemeinen Lohnerhöhungen, die allen Arbeitnehmern gewährt werden.

Unter diesen Voraussetzungen muss der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 1 Nr.1 BetrVG auch über die Einhaltung der gleichmäßigen Behandlung der Mitarbeiter wachen. Gemäß § 80 Abs.2 Satz 2 BetrVG steht dem Betriebsrat deshalb ein Recht zur Einsicht in die vom Arbeitgeber geführten Bruttogehaltslisten zu. Nur wurde vom Gesetzgeber nicht eindeutig entschieden, ob es sich dabei um personalisierte Listen handeln muss.

 Argument Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO):

Aus Gründen des Datenschutzes könnte man nämlich meinen, dass die DSGVO die Arbeitnehmer davor schützt, dass ihre Namen zusammen mit ihrem Gehalt durch den Arbeitgeber an den Betriebsrat übergeben werden. Hierzu bedarf es nämlich einer Rechtsgrundlage. Art. 6 Abs.1 lit. c) DSGVO kann dann für die Verarbeitung personenbezogener Daten als Rechtsgrundlage herangezogen werden, wenn für die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten der Mitarbeiter eine rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers besteht.

Es stellt sich daher seit Geltung der DSGVO für den Arbeitgeber die Frage, ob Art. 6 Abs.1 lit. c) DSGVO für ihn eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten bietet, wenn er der Aufforderung des Betriebsrats zur Übermittlung nicht anonymisierter Bruttogehaltslisten nachkommt.

Diese Frage ist durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) bisher im Hinblick auf die DSGVO nicht verbindlich geklärt.

Entscheidung des LAG Niedersachsen:

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat nunmehr entschieden, dass der Arbeitgeber

einem vom Betriebsrat benannten Mitglied Einsicht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten unter Namensnennung der einzelnen Arbeitnehmer und Aufschlüsselung der Bruttoentgelte nach ihren Bestandteilen mit Ausnahme der leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG zu gewähren“ hat.

Begründung:

Zur Begründung führt das LAG aus, dass der Betriebsrat zur Durchsetzung seines Rechts in der Lage sein muss, um

zu überprüfen, ob die für einzelne Entgeltbestandteile (…) erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen auch vorliegen. Der Betriebsrat wird durch die namentliche Zuordnung in die Lage versetzt, Mitarbeiter darauf anzusprechen, ob sie beispielsweise aktuell in der Nachtschicht eingesetzt sind oder kann dies anhand der Dienstpläne nachvollziehen.“

Diese Offenlegung von Arbeitnehmerdaten sei mit dem nunmehr geltenden Datenschutzrecht vereinbar, so das LAG.

Zum einen sei die Offenlegung der Daten gemäß Art. 6 Abs.1 lit. c) DSGVO gerechtfertigt, da der Arbeitgeber gem. § 80 Abs.2 Satz 2 BetrVG dazu verpflichtet sei.

Zum anderen stelle § 26 Abs.1 Satz 1 BDSG eine Rechtsgrundlage dar, die Gehaltslisten mit Namen herauszugeben, denn die Vorlage der mit Namen versehenen Listen diene der Ausübung und der Erfüllung der gesetzlichen Rechte des Betriebsrats.

Widerspruchsrecht des einzelnen Mitarbeiters:

Man könnte jetzt sogleich die Frage stellen, ob der einzelne Mitarbeiter ein Widerspruchsrecht gegen die Weitergabe seiner personenbezogenen Daten hat. Art. 21 DSGVO gibt ja dem Betroffenen ein Widerspruchsrecht zur Verarbeitung personenbezogener Daten gegenüber der verantwortlichen Stelle. Wenn man aber genauer hinschaut, wird klar, dass dies nicht besteht im Falle von Datenverarbeitungen aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen. Vielmehr gesteht das Gesetz dem Betroffenen nur dann den Widerspruch zur Verarbeitung und damit zur Weitergabe zu, wenn die Verarbeitung aufgrund des berechtigten Interesses (Art. 6 Abs1 lit. f) oder bei Verarbeitung aufgrund öffentlichem Interesse (Art. 6 Abs1 lit. e) erfolgt.

Fazit:

Es führt wohl nichts daran vorbei, Gehaltslisten in nicht anonymisierter Form, auch bei Widerspruch einzelner Mitarbeiter, herauszugeben. Die Tendenz der Entscheidung des LAG Niedersachsen weist darauf hin, dass auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu demselben Ergebnis kommen wird.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

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